Tiergestützte Therapie

zurück zur Wiki-Übersicht

Tiere spielen seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle im Leben des Menschen – sei es als Begleiter, Helfer oder Therapeuten. In der modernen Medizin und Psychologie hat sich die tiergestützte Therapie als wirksame Methode zur Förderung von physischer, psychischer und sozialer Gesundheit etabliert.  

Der gezielte Einsatz von Hunden, Pferden, Delfinen oder anderen Tieren kann nachweislich Stress reduzieren, emotionale Stabilität fördern und soziale Interaktionen verbessern. Besonders in der Arbeit mit Kindern, älteren Menschen und Menschen mit psychischen oder neurologischen Erkrankungen hat sich diese Therapieform als sehr effektiv erwiesen.  

Was ist tiergestützte Therapie?  

Definition und Abgrenzung  

Tiergestützte Therapie ist ein wissenschaftlich fundierter Ansatz, bei dem der Kontakt zu Tieren gezielt zur Förderung der körperlichen, seelischen oder sozialen Gesundheit eingesetzt wird.  

Diese Therapieform wird oft mit anderen tierbezogenen Interventionen verwechselt. Wichtige Unterschiede:  

  • Tiergestützte Therapie (TGT): Wird von Fachkräften (z. B. Psychotherapeuten, Ergotherapeuten) mit spezifischen Zielen durchgeführt.  
  • Tiergestützte Pädagogik: Tiere werden zur Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen, z. B. in Schulen oder Kindergärten, eingesetzt.  
  • Tiergestützte Aktivitäten: Tiere werden als Begleiter in sozialen Einrichtungen eingesetzt (z. B. Besuchshunde im Pflegeheim).  

Während tiergestützte Aktivitäten eher allgemeine positive Effekte haben, ist die tiergestützte Therapie gezielt auf eine medizinische oder psychologische Verbesserung ausgerichtet.  

Wirkmechanismen der tiergestützten Therapie  

Warum wirken Tiere therapeutisch?  

Tiere haben eine besondere Wirkung auf Menschen. Sie sind unvoreingenommen, wertfrei und kommunizieren durch Körpersprache, was vielen Menschen den Zugang zu ihnen erleichtert.  

Mögliche positive Effekte:  

  • Reduktion von Stress und Angst: Der Kontakt mit Tieren senkt den Cortisolspiegel und fördert die Ausschüttung von Oxytocin (Bindungshormon).  
  • Emotionale Stabilität: Tiere vermitteln Sicherheit und helfen, Ängste oder depressive Verstimmungen zu lindern.  
  • Soziale Förderung: Menschen, die Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen haben (z. B. Autismus), können mit Tieren neue Kommunikationsfähigkeiten entwickeln.
  • Motivation zur Bewegung: Besonders bei motorischen Einschränkungen oder in der Physiotherapie kann der spielerische Umgang mit Tieren zur Bewegung motivieren.  

Psychologische Theorien hinter der Wirkung von Tieren  

Zwei zentrale Theorien erklären die positiven Effekte:  

  • Biophilia-Hypothese  
    • Menschen haben eine angeborene Verbindung zur Natur und zu Tieren.  
    • Die Interaktion mit Tieren löst tief verwurzelte emotionale Reaktionen aus.  
  • Soziale Unterstützungs-Theorie  
    • Tiere können als soziale Unterstützung wirken, besonders bei einsamen oder traumatisierten Menschen.  
    • Sie geben nonverbale Rückmeldung und fördern Vertrauen und Bindung.  

Einsatzgebiete der tiergestützten Therapie  

1. Psychische Erkrankungen und emotionale Störungen  

Menschen mit Depressionen, Angststörungen oder Traumata profitieren besonders von tiergestützter Therapie.  

  • Angstpatienten bauen durch den Kontakt zu Tieren Vertrauen auf.  
  • Depressive Menschen erleben durch Tiere emotionale Nähe und Motivation.  
  • Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) fühlen sich durch die bedingungslose Akzeptanz eines Tieres sicherer.  

2. Neurologische und motorische Störungen  

Tiergestützte Therapie wird erfolgreich in der Rehabilitation nach Schlaganfällen, bei Multipler Sklerose oder bei Parkinson eingesetzt.  

  • Die Arbeit mit Pferden verbessert Gleichgewicht und Motorik.  
  • Hunde oder Delfine motivieren Patienten zu mehr Bewegung und Koordination.  
  • Durch das Streicheln oder Führen eines Tieres werden Feinmotorik und Hand-Augen-Koordination trainiert.  

3. Förderung sozialer Fähigkeiten  

Besonders Kinder mit Autismus oder ADHS profitieren von tiergestützten Interventionen.  

  • Tiere vermitteln nonverbale Kommunikationssignale und helfen, soziale Kompetenz zu verbessern.  
  • Durch die Interaktion mit einem Tier lernen Kinder, Regeln zu beachten und Verantwortung zu übernehmen.  
  • Der Kontakt mit Tieren kann die Konzentrationsfähigkeit steigern.  

4. Senioren und Menschen mit Demenz  

In Pflegeheimen werden häufig Therapiehunde oder Katzen eingesetzt, um:  

  • Einsamkeit zu reduzieren.  
  • Erinnerungen und kognitive Funktionen zu aktivieren.  
  • Motorische Fähigkeiten durch das Streicheln oder Füttern zu fördern.  

Besonders bei Demenzpatienten kann tiergestützte Therapie nachweislich das Wohlbefinden steigern und Unruhezustände mindern.  

5. Traumatherapie und Resozialisierung  

In der Arbeit mit traumatisierten Kindern, Gewaltopfern oder straffälligen Jugendlichen können Tiere als Brücke zur Therapie dienen.  

  • Der Umgang mit einem Tier hilft, Vertrauen aufzubauen.  
  • Tiere geben positive Rückmeldungen und stärken das Selbstwertgefühl.  
  • Besonders bei Menschen mit Bindungsstörungen kann die emotionale Verbindung zu einem Tier heilsam sein.  

Welche Tiere werden in der Therapie eingesetzt?  

1. Hunde  

Hunde sind die am häufigsten eingesetzten Therapietiere. Sie:  

  • Fördern soziale Interaktionen  
  • Reduzieren Angst und Stress  
  • Sind besonders hilfreich für Kinder, Senioren und psychisch Erkrankte  

2. Pferde (Hippotherapie, Reittherapie)  

Pferde werden besonders in der Physiotherapie und Psychotherapie eingesetzt.  

  • Die Bewegung beim Reiten verbessert die Muskulatur und das Gleichgewicht.  
  • Die Arbeit mit Pferden stärkt Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein.  

3. Delfine (Delfintherapie)  

Delfine werden in der Arbeit mit autistischen oder schwer traumatisierten Menschen eingesetzt.  

  • Ihre spielerische und intelligente Art fördert die emotionale Öffnung.  
  • Der Aufenthalt im Wasser hat eine entspannende Wirkung.  

4. Kleintiere (Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen)  

Besonders in Pflegeheimen oder bei ängstlichen Menschen werden Kleintiere eingesetzt.  

  • Sie wirken beruhigend und senken den Blutdruck.  
  • Sie sind pflegeleicht und eignen sich für therapeutische Langzeitbetreuung.  

Methoden und Ansätze in der tiergestützten Therapie  

1. Begleitete Interaktion  

Ein Therapeut führt gezielte Übungen mit dem Tier durch, z. B.:  

  • Übungen zur Beruhigung (Streicheln, Atmen mit dem Tier)  
  • Interaktionsaufgaben (Führen eines Hundes oder Pferdes)  
  • Kommunikationsförderung durch Anweisungen an das Tier  

2. Bewegungstherapie mit Tieren  

  • Reittherapie zur Verbesserung der Motorik  
  • Spaziergänge mit Therapiehunden zur Steigerung der körperlichen Aktivität  
  • Koordinationstraining durch das Werfen oder Apportieren von Gegenständen  

3. Achtsamkeit und emotionale Arbeit  

  • Tiere helfen, Emotionen wahrzunehmen und auszudrücken.  
  • Besonders in der Traumatherapie werden Tiere als „sichere Begleiter“ genutzt.  

Herausforderungen und Grenzen der tiergestützten Therapie  

Nicht für alle Patienten geeignet  

  • Menschen mit Tierallergien oder starken Ängsten vor Tieren können nicht teilnehmen.  
  • Einige psychische Erkrankungen (z. B. schwere Psychosen) erfordern eine spezialisierte Therapieform.  

Hoher Aufwand und Kosten  

  • Ausbildung von Therapietieren ist zeitaufwendig.  
  • Nicht alle Krankenkassen übernehmen die Kosten.  

Fazit  

Tiergestützte Therapie ist eine wirksame, wissenschaftlich belegte Methode zur Förderung von physischer, psychischer und sozialer Gesundheit. Ob in der Arbeit mit Kindern, Senioren, psychisch erkrankten oder körperlich eingeschränkten Menschen – Tiere haben eine einzigartige Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen, Ängste zu reduzieren und Heilungsprozesse zu unterstützen.  

Mit der richtigen Anwendung kann tiergestützte Therapie eine wertvolle Ergänzung zu klassischen Behandlungsformen sein und langfristig das Wohlbefinden der Patienten verbessern.